Marias Lobgesang, Lk. 1, 46-56

 

Einleitung:

Dieser Lobgesang (Magnifikat) ist seiner literarischen Form nach ein Psalm. Maria schöpft dabei aus alttestamentlichen Stellen, besonders aus dem Danklied der Hanna für die Geburt Samuels. Vorausgegangen ist die Ankündigung der Jungfrauengeburt und der Besuch bei ihrer Freundin Elisabeth, die ihr die Gewißheit von Gottes Wirken verleiht.

 

Teil 1: Marias Freude an Gott (V. 46.47)

Meine Seele erhebt den Herrn:

× sie schaut nicht auf ihn herab, sondern blickt zu ihm hoch

× Maria lobt Gott, sie betet ihn an

Im Gegensatz zum Dank, wo hauptsächlich die Liebeserweise Gottes gewürdigt werden, wird in der Anbetung die Herrlichkeit Gottes gerühmt.

==> Welche "herrlichen" Eigenschaften Gottes können wir rühmen?

× weckt Liebe zu Gott und Dankbarkeit

Mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes:

× Maria freut sich einfach an Gott

==> Können wir uns auch so richtig an Gott freuen?

"Die Freude am Herrn ist eure Stärke." (Neh. 8,10)

Freude ist ein ganz wichtiger Motor im Leben. Das können wir leicht überprüfen: Wann läuft uns eine Sache leichter von der Hand: Gequält oder mit innerer Freude?

"Die Seele nährt sich von dem woran sie sich freut."

Flattich: Ein guter Mut ist das wichtigste.

Wir merken: Freude im Leben ist ungeheuer wichtig, um das Leben zu bewältigen.

Freude möchte sich zum Ausdruck bringen. Maria tut dies, indem sie ein Loblied anstimmt, indem sie Gott dankt und lobt und seine Macht rühmt.

Wir können dies tun, indem wir singen, beten, Geschenke machen, andern an unserer Freude teilhaben lassen.

Dennoch ist uns nicht in jeder Lebenslage nach freuen zumute. Was hindert uns daran, uns zu freuen und Gott zu loben?

× keine so erfreuliche Erfahrungen mit Gott wie Maria

× unverständliche Erlebnisse oder Führungen

× Alltagstrott

× Überlastung

× Frustration (in der Arbeit, in der Gemeinde, in Beziehungen)

"Mein Geist freut sich Gottes"

Zweierlei möchte dieser Vers ausdrücken:

× Wenn nichts im Leben mich zur Freude motiviert, so gibt es immer noch Gott, über den ich mich freuen könnte.

× Auch bei allen Schwierigkeiten möchte Gott, daß wir unseren Blick auf ihn lenken und auf das, was uns bei all der Trostlosigkeit noch Freude bereiten kann. Denn das Rezept, das die Bibel uns anbietet, lautet: "Die Freude am Herrn ist eure Stärke." Mit anderen Worten hießt das, wir schaden uns am meisten selbst, wenn wir in unserer Verzagtheit stecken bleiben, uns selbst bemitleiden und nicht die Freude am Herrn suchen.

× Die Freude Marias war vom Geist Gottes gewirkt. Es war keine menschliche Freude.

Es ist zweifelsfrei klar, daß die Freude am Herrn nach einem großartigen Erlebnis mit ihm wie von alleine da ist und in unverständlichen Wegführungen einfach nicht aufkommen möchte. Wie können wir dennoch ein Stück von dieser Freude empfangen? Es kann schon ein Vers in der Losung oder ein Bibelvers in der Stillen Zeit auslösen. Ein kleines Erlebnis, das uns ermutigt.

 

Teil 2: Marias Haltung gegenüber Gott (V. 48-50)

"Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen."

Mit dem Begriff Magd drückt Maria verschiedene Eigenschaften aus:

× Niedrigkeit statt Selbstherrlichkeit

× Abhängigkeit statt Unabhängigkeit

× Gehorsam statt Eigenregie

× Dienen statt Selbstverwirklichung

Niedrigkeit statt Selbstherrlichkeit

Marias Niedrigkeit ist sicherlich auch in den gesellschaftlichen Gegebenheiten bedingt: sie war arm (Tauben statt Schafe geschlachtet), jung (kein gesellschaftliches Ansehen), Jüdin (besetztes Volk)

Plötzlich wird Maria für ihren Stand ungewöhnlich reich beschenkt. Man könnte nun erwarten, daß ihr der Ruhm zu Kopfe steigt. Doch Maria bleibt auf dem Teppich. Zwar erwähnt sie "von nun an werden mich seligpreisen alle Kindeskinder", was den Ruhm ausdrückt, den sie vor der Welt erlangen wird, doch bereits im nächsten Vers gibt sie den Dank und die Ehre an Gott zurück.

==> Wie gehen wir mit unerwarteter Ehre, Anerkennung, Macht, Reichtum, etc. um? Inwiefern geben wir den Dank an Gott zurück, wenn wir von ihm etwas empfangen haben (Bsp. Gebetserhörung -> Wir haben's geleistet).

Ich denke, es will gelernt sein, biblisch mit Ehre, Anerkennung, Macht, Reichtum umzugehen. Von Natur aus haben wir ja ständig das Verlangen danach. Aber wie landen wir nicht in der Selbstherrlichkeit?

Maria zeigt es uns auf: Sie behält ihre Niedrigkeit vor Gott.

 

Abhängigkeit statt Unabhängigkeit

Eine Magd ist abhängig von ihrem Herrn oder ihrer Herrin. Sowohl finanziell als auch mit ihrem Leben.

In unserer Gesellschaft strebt alles nach Unabhängigkeit:

× staatlich

× beruflich

× privat (Urlaub, Familie)

Der Trend geht immer mehr in Richtung Unabhängigkeit: familiär, beruflich, Wohnung, Versicherungen, Altersvorsorge, medizinisch: Ich kann alles alleine, brauche niemanden, um mein Leben zu bewältigen. Ich denke früher war das nicht so ausgeprägt (Familienrolle) oder zu DDR-Zeiten.

Ist da Abhängigkeit überhaupt noch angebracht bzw. gewünscht?

Maria hat ihr Leben freiwillig in die Abhängikeit Gottes gestellt. Gott hat ihr seinen Sohn anvertraut. Damit ist sie von Gott abhängiger als sie sich das je vorgestellt hat. Hätte sie sich wehren können? Aber sie darf diese Abhängigkeit als etwas ganz Großartiges erleben.

Manchmal ist uns die Abhängigkeit von Gott vielleicht lästig. Da würden wir uns mehr Unabhängigkeit wünschen. Aber wenn wir in schwierige Lebenssituationen geraten, merken wir oft erst, wie abhängig wir von Gott sind, daß wir ohne seine Hilfe absolut hilflos sind. Und das läßt uns dann wieder froh werden, von Gott abhängig zu sein.

Wir tun uns sicherlich schwer, diese Abhängigkeit in einer immer mehr nach Unabhängigkeit strebenden Welt zu leben. Und dennoch lohnt es sich. Was sind die Folgen in unserer Gesellschaft?

× Vereinsamung (obwohl Leute unabhängig sind und ausreichend haben, leiden viele unter Einsamkeit)

× Beziehungsarmut

× zerrüttete Ehen, kaputte Familien, immer mehr psychische Probleme (90% der Seelsorgefälle sind unbewältigte Lebensprobleme)

× Werteverfall

× Zunahme des Erfolgsdenkens und Leistungsdenkens ==> Erhöhung des Drucks

× Kapitalsucht

Was mache ich, wenn ich von jemandem abhängig bin?

× Ich versuche mich, mit ihm gutzustellen

× "Eine Hand wäscht die andere", sprich ich tue ihm auch mal was gutes

× Ich bleibe in Kontakt mit ihm (pflege Beziehung)

× Ich muß mich mit ihm absprechen (fördert das Sozialverhalten)

Allein schon dieser Vergleich mit der Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit in unserer Gesellschaft zeigt, daß die Abhängikeit positive Werte nach sich zieht, während die Unabhängikeit die Gefahr beinhaltet, von den biblischen Werten abzurücken. Ich denke aus diesem Grund möchte Gott uns in die Abhängigkeit von ihm bringen. Nicht um uns als Sklaven zu unterdrücken, sondern um uns vor Abfall zu bewahren.

Noch ein weiterer Gedanke zum Thema Abhängigkeit:

Wer ist in unserer Gesellschaft abhängig? Was fällt uns ein?

× Ein Kind von den Eltern

× Ein Pflegebedürftiger von Ärzten und Pfleger

× Ein Arbeitsloser vom Sozialamt / Staat

Aber sind wir nicht alle doch auch abhängig?

× vom Arbeitgeber

× vom Busfahrer

× von der Gesundheit

× von der Meinung anderer

× vom Geld

Gott möchte uns auch deshalb in seine Abhängigkeit ziehen, damit uns die anderen "Abhängigkeiten" nicht mehr so wichtig sind, wenn wir sie verlieren. Wenn wir von Gott abhängig sind, können wir nie tiefer fallen, als in Gottes Hand!

 

Gehorsam statt Eigenregie

V. 38: "Maria aber sprach: Siehe ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast."

Maria hat mit der Schwangerschaft auch etliche Schwierigkeiten auf sich geladen: Gesellschaftliche Schmach, indem sie unverheiratet schwanger war; mußte damit rechnen, daß Josef sie wegen Untreue verlassen könnte; Schwangerschaft in jungen Jahren, ohne Absicherung. Sie hätte dagegen rebellieren können. Sie hätte die Situation nicht widerstandslos hinnehmen können. Wenn Maria in der heutigen Zeit gelebt hätte, hätte sie abtreiben können.

Doch wie handelt Maria: Sie fügt sich dem Willen Gottes. Sie vertraut darauf, daß wenn Gott ihr diesen Weg zumutet, er auch Lösungen für die übrigen Probleme parat hat. Sie sagt ja zu Gottes Wegen.

Wie gehen wir damit um, wenn wir Gottes Wege nicht verstehen? Können wir immer sofort "Ja" sagen, so wie es in dem Lied so schön heißt "Sag' ja zu Gottes Wegen"?

× Wir dürfen Gott sagen, was wir denken und wie wir uns fühlen. Wir müssen weder vor Gott, noch vor Mitchristen oder Mitmenschen etwas vorspielen. Klagen ist erlaubt!

× Wir dürfen auf vergangene Erfahrungen schauen, die wir mit Gott gemacht haben, und die das Vertrauen in ihn gestärkt haben. Es kann uns eine Hilfe sein, ihm auch in der momentanen Situation eher vertrauen zu können, daß er's zu einem guten Ende führt.

× Wir dürfen uns an Verheißungen klammern, die Gott uns gegeben hat. ("Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl machen." oder "Denn wir wissen, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum besten dienen"). Oft erkennen wir erst im Rückblick und manchmal auch gar nicht, daß Gottes Wege gut waren.

× Wir dürfen mit Menschen über unsere Situation reden (aussprechen alleine hilft schon oft und manchmal folgt ein wertvoller Rat oder mutmachende Worte).

× Wir dürfen und sollen ehrlich sein vor Gott und vor Menschen! Nicht das perfekte Christenleben (-schauspiel) sondern die Ehrlichkeit ist das, was die Herzen zum Mitmenschen öffnet.

Weiterer Gedanke zum Thema Gehorsam:

Wie oft rebellieren wir?

Auch wenn wir noch so oft Gottes Durchtragen erfahren haben, stellt jede neue Situation doch wieder eine neue Herausforderung dar. Zu sagen: Jetzt habe ich die Hilfe Gottes schon so oft erfahren, jetzt vertraue ich blind, funktioniert leider meist nicht.

Das Problem ist meist, daß uns unsere eigenen Vorstellungen im Weg stehen. Zwar haben wir schon so oft erfahren, daß Gott es zum Guten geführt hat, doch fällt es uns schwer zu vertrauen, daß Gottes Gedanken besser sind als unsere Vorstellungen und Wünsche.

Der Mensch ist so veranlagt, daß er sich in der Regel den bequemen Weg wünscht, denn Veränderung tut weh. Mit jeder Veränderung aber wird ein Teil meines Sicherheitsnetzes durchbrochen (Arbeit, Kollegen, Freunde, Verwandte, Gemeinde). Dazu benötigt man ein Stück Wagemut. Mancher bringt das schon von Haus aus mit.

Auf der anderen Seite bringt mich meist das, wovor ich am meisten Angst habe, am stärksten weiter.

Geistlich: Wachstum bedeutet Veränderung --> Veränderung bedeutet aber auch jedesmal Aufgeben von Sicherheiten.

Nun aber ist Gott an unserem Wachstum interessiert und nicht an unserer Bequemlichkeit.

Beispiele:

× Erklimmen eines Berges: Schufterei, Belohnung am Ende

× Sportler, Marathonläufer: Belohnung am Ende, er ist aber auch fitter

Wenn wir Krisen / schwierige Zeiten durchgemacht haben, erkennen wir oft hinterher die Veränderung. Oft erkennen wir im Rückblick, welchen Wert diese Zeit gehabt hat.

 

Dienen statt Selbstverwirklichung

Von Natur aus wollen wir viel lieber herrschen, bestimmen.

Die Gesellschaft fördert auch dieses Denken: Mitbestimmungsrecht, Demokratie, Reform von unten. Fällt uns deshalb das Dienen so schwer?

Ist das Dienen überhaupt noch zeitgemäß?

Ist es nicht unter unserer Würde?

Und doch ist es großartig, wenn ein Mensch lernt, sich Gott unterzuordnen, ihm zu dienen.

Im Leben ist Unterordnung dennoch geboten: Am Arbeitsplatz gegenüber dem Vorgesetzten, in der Gemeinde, in der Familie.

So wie ein Geselle / Arbeiter / Angestellter nicht gleich Ansprüche auf den Meister / Chef / Teamleiter stellen kann, sondern erst mal seine Fähigkeiten zeigen muß (u.a. indem er sich erst mal unterordnet / dient), so kann beispielsweise auch jemand in der Gemeinde nicht gleich das Amt des Gemeindeleiters übernehmen. Er muß sich ebenfalls erst bewähren, indem er dient. Auch im sozialen Gefüge funtkionieren Beziehungen besser, wenn man eine dienende Haltung einnimmt.

So ist also das Dienen eine wichtige Fähigkeit auch im gesellschaftlichen Leben. Gott möchte, daß wir das lernen. Deshalb möchte er, daß wir seine Diener sind und nicht uns selbst verwirklichen.

Wie kann so ein Dienen für Gott ganz praktisch aussehen?

× Watchman Nee hat einmal ein Beispiel erzählt: Eine Gruppe von chinesischen Christen hatte ein Reisfeld zu bewässern. Die Besitzer des Feldes, das darunter lag, machten es sich einfach: Sie gruben das Wasser, das das obere Feld bewässern sollte, ab und hatten somit fast keine Arbeit mit ihrer Bewässerung. Als dies Tag für Tag so geschah, wurden die Christen wütend und holten sich Rat bei einem Seelsorger, was sie in dieser Situation tun sollten. Dieser riet ihnen, früher aufzustehen und zuerst das Nachbarfeld zu bewässern und anschließend ihr eigenes. Gesagt getan - und bereits nach wenigen Tagen kamen die Besitzer des Nachbarfeldes, entschuldigten sich für ihre Tat und waren aufgrund des Vorgehens auch am christlichen Glauben interessiert.

Ich habe mich gefragt, wie ich wohl in der Situation reagiert hätte. Sehr wahrscheinlich wäre ich nicht auf diese Idee gekommen. Außerdem fordert sie sehr viel an Selbsthingabe stat Selbstverwirklichung.

 

Teil 3: Marias Weltbild (V. 51-55)

Stimmt das, was Maria hier besingt?

× stößt die Gewaltigen vom Thron

× erhebt die Niedrigen

× Hungrigen füllt er mit Gütern

× läßt die Reichen leer ausgehen

× hilft Israel auf

Haben wir nicht genügend Beispiele in unserer Welt, wo die Mächtigen immer mächtiger, die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer werden und Israel immer mehr Widerstand durch die Weltöffentlichkeit erfährt?

Höchstens vereinzelt können wir Beispiele in unserer Geschichte finden (Hitler, Stalin, Kommunismus / DDR, Israels Staatengründung), aber kein Automatismus.

Wie sind Marias Aussagen dann zu verstehen:

1. Man muß die Aussagen auch unter der damaligen politischen Situation sehen. Es ist zugleich eine Kritik am damaligen politischen System.

Maria weiß sich auf der Seite des Stärkeren, auch wenn sie politisch zu den Unterlegenen gehört und gesellschaftlich zu den Armen gehört.

==> Für uns kann das ein Trost sein, bei allen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen derzeit zu wissen, daß es einen gibt, der mächtiger ist und unser Leben in der Hand hält.

2. Marias Aussage hat prophetischen Charakter (üblich für die damaligen endzeitlichen Gesänge der Anbetung Gottes)

Wir denken meist nur in den Dimensionen der irdischen Lebzeit. Bei Gott zählt jedoch die Ewigkeit (in der unsere Lebzeit nur ein Teil ausmacht).

Dann kommt es zum Tragen, daß die Gewaltigen vom Thron gestürzt werden (die nur für ihre Macht gelebt haben) und die Reichen (die nur für ihren Reichtum gelebt haben) leer ausgehen und die Hoffährtigen zerstreut werden, während die Niedrigen erhoben und die Hungrigen mit Gütern gefüllt werden.

Auch Israel wird dann wieder angenommen werden: "Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns vor die verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich über dich erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser!" (Jes. 54,8)

 

Zusammenfassung:

× Marias Freude an Gott:

Sie lobt Gott und freut sich an ihm, weil er so gut zu ihr war.

× Marias Haltung:

Maria ist

u niedrig statt selbstherrlich

u abhängig von Gott statt unabhängig

u gehorsam statt ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen

u dienend statt sich selbst zu verwirklichen

× Marias Weltbild:

Maria sieht Gott als den, der mächtiger ist als alle politischen und gesellschaftlichen Größen, und letztendlich für Gerechtigkeit sorgen wird.